Ben Ebner

Das Sterben ist eine Fremde

Halime hat das goldene Armband aus der Schachtel genommen und es durch ihre groben, schmutzigen Hände gleiten lassen. Es gehört mir, seit ich ein kleines Mädchen war. Ich habe sie gebeten, es liegen zu lassen, aber jedes Mal, wenn ich sie ins Schlafzimmer gerufen habe, hat sie es wieder angestarrt.

Halimes Blick ist zäh wie flüssiger Beton. Manchmal erwische ich sie, wie sie mich anschaut, wenn sie den Boden wischt oder Feigen schält; wie eine kalte Hand, die einem über den Rücken fährt und man die Spitzen der Fingernägel erahnt. Ich drehe mich zur Seite. So ein Blick kann dich verfluchen, bevor du es dir versiehst.

Halime riecht nach Putzmittel und Schweiß. Wenn sie die Wunde an meinem Oberschenkel wäscht, sehe ich die feinen Perlen zwischen Haaransatz und Kopftuchrand. Beim Umbetten, aus der Nähe, kann ich die eingetrockneten Salzränder auf ihrer Bluse sehen und die Flecken auf ihrem Rock.

In der Nacht versuche ich, das kleine bisschen Sauerstoff zu atmen, das durch den Fensterspalt gedrückt wird. Es ist wie langsames, feuchtes Ersticken. Ein klebriger Film überzieht meine faltige Haut, süßlich, vermengt sich klamm mit dem Kissen. Die Schmerzen kommen in Wellen, mal als Stechen, mal als Pochen.

Als Halime am frühen Morgen kommt—die Straßenhunde heulen noch in der kühlen Dämmerung—nehme ich ihre Hand. Ich drücke sie an meine Brust. Ich spüre die Wärme an meinem Herzen, und ich kann es schlagen hören. Ich schaue ihr in die Augen, und sie streicht mir über das Gesicht.

Welche Heimat wir auch suchen—das Sterben ist eine Fremde, die immer in uns wohnt.