Benjamin Ebner

Noch hoffen wollen

Ich komme über die Treppen herauf, im Regen, als es schon dunkel ist. Sie ist nicht in der Wohnung. Ich ziehe den feuchten Mantel aus und öffne mir eine Dose Bier. Im Hinterhof höre ich die Katzen fauchen. Sie schreien wie Säuglinge, unberechenbar, gequält. Sie machen mir Angst mit ihrem Jaulen, so, als seien sie besessen.

Ich denke daran, wie schön sie an diesem Morgen auf der Fähre ausgesehen hat, dem blutunterlaufenen Auge zum Trotz. Wir sind auf die andere Seite gefahren, an der Promenade entlanggelaufen. Weit draußen im Nebel habe ich die Containerschiffe als Umrisse erkannt. Für einen Moment habe ich an ihre Stahlrümpfe denken müssen, da draußen im tiefen grauen Wasser.

Die Luft hat nach Maronen und Ruß gerochen. Ein Mann ist uns entgegengekommen, seine Hände zu Fäusten in die Jackentaschen geballt; sein Atem ist in kleinen Wolken aufgestiegen, als würde er rauchen. Der Blick ist für einen kurzen Moment auf uns gelandet, mit verlorener Grimmigkeit, ohne uns wahrzunehmen.

Sie hat gesagt, dass sie gegen eine Laterne gelaufen ist, und ich habe ihr geglaubt. Es ist leicht, in einer Sprache zu lügen, die man nicht beherrscht. Ich habe meine warme Hand an ihre Wange gehalten und die feinen Härchen über den Lippen gesehen. Eine Möwe hat gekreischt, und ihr Echo ist dumpf im Nebel verhallt.

Später im Bus sind wir zusammengedrückt aneinander gestanden. Die Scheiben waren beschlagen. Die Feuchtigkeit hat die Lichter draußen aufgeweicht; eine irrsinnige Flut im Dunkeln. Sie hat gesagt, dass sie ein letztes Mal nach Hause müsse, um ihre Sachen zu holen. Sie hat gelacht, als sie ihr Handgelenk in die Gummischlaufe geführt hat, um nicht umgestoßen zu werden.

Um 22:00 Uhr ist sie immer noch nicht zu Hause. Von meinem Balkon kann ich die Lichter der obersten Etage eines Hochhauses sehen. Dort oben hängen große Lampenschirme, als hätte sie jemand an den schwarzen Himmel genagelt. In all diesem Asphalt, der bis zum Horizont reicht, bin ich unsagbar klein. Es ist, als würde mir jemand am Hals reißen oder den Adamsapfel eindrücken.

Ich packe nur das Nötigste. Ich lasse den Schlüssel auf dem Tisch liegen, ziehe die Tür zu und nehme den Bus zum Flughafen.

Es gibt Lieben, die fühlen sich so ernst an wie das Sterben; und ich bin ein Feigling, der immer noch hoffen will.