Zwillinge
Es gab mal einen Moment—das war ein Sommergewitter, und wir standen zu zweit auf dem Balkon—da wollte sie etwas zu mir sagen, aber stattdessen haben wir uns nur verlegen angeschaut und sind nach einer Weile hineingegangen, zu den anderen. Vom Fenster aus haben wir gesehen, wie sich eine Wasserschicht auf die brüchigen Betonplatten im Innenhof gelegt hat.
Danach, eine kalte Juliwoche voll Regen, sind wir uns nicht begegnet, und als wir uns an einem Wochenende im August wiedergesehen haben, sind die Teerflicken in der Einfahrt vor Hitze geschmolzen. Keiner hat mehr an kalte Juliwochen gedacht oder an Sommergewitter. Im August spielt kaum etwas eine Rolle.
Im Jahr darauf hat sie Zwillinge bekommen. Über unseren Köpfen habe ich sie schreien hören, ihre Schritte auf und ab, ein kleines leises Pochen in der Nacht. Sie sah schön aus, an den Türrahmen gelehnt, trotz der tiefen Ringe unter ihren Augen. Als die Mädchen laufen konnten, hallte Lachen durch das Treppenhaus wie Vogelgezwitscher.
Ich stehe immer noch um vier Uhr früh auf und komme immer noch vor Dämmerung zurück. An kalten Winterabenden, hinten bei den Fabriken, schneiden Rauchsäulen in den Himmel, scharf wie Draht. Schon von der Haltestelle aus kann ich unser Haus erkennen. Wenn ich auf es zulaufe, kommt es mir manchmal vor, als würde es langsam in meine Richtung kippen.
Der neue Mieter hat das Klingelschild überklebt. Darunter, hinter Tesafilm und den fransigen Rändern eines ausgerissenen Papiers, schaut noch ein winziger Teil ihres Namens hervor.
Für alle Wahrheiten gibt es eine Zeit; wenn sie nicht ausgesprochen werden, was passiert dann mit ihnen?